Vielleicht hast du auch schon mal das Bild gesehen, wo eine Reihe verschiedener Tiere vor einem Herrn am Tisch stehen und im Hintergrund ein Baum zu sehen ist.
Der Herr stellt allen die gleiche Aufgabe: Klettere auf den Baum! – Für Katze, Hund und Vogel eine lösbare Aufgabe. Doch der Fisch und das Nilpferd schauen verzagt.
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Ich war ja lange eine Verfechterin davon, dass man ein erfülltes Leben leben kann, egal wie die äußeren Umstände sind. Und es war ein gutes Training!
Es macht stark und unabhängig, wenn du deine Erfüllung in dir selbst findest.
Doch nun war der Punkt erreicht, wo ich merkte, dass es im Leben ein paar Korrekturen brauchte, damit ich mich wieder wie ein Fisch im Wasser fühlen konnte! Denn mein Wasser war irgendwie fast verdunstet und es waren Sträucher gewachsen, ohne dass ich es wirklich gemerkt hatte.
Da tummelte ich mich im verbliebenen Wasser und litt zunehmend am engen Raum und dem vielen Holz, was das Schwimmen erschwerte.
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Die Zeiten, wo ich versucht hätte, auf die Sträucher zu klettern, sind schon lange vorbei!
Doch ich hatte noch Hoffnung, dass das Wasser wieder zurück kommen würde.
Aber es half alles nichts mehr! Es kam nicht wieder, und die Sträucher wuchsen. Es war Zeit, einen neuen Teich zu suchen!
Denn eines war klar:
Ich bin ein Fisch! Und meine Bestimmung ist das Schwimmen im Wasser!
Also machte ich mich schweren Herzens und mit viel Mühe mit der verbliebenen Kraft auf die Suche nach einem neuen Teich.
Ich durchschwamm jeden Quadratmeter des verbliebenen Teiches und suchte alle Ränder ab. Ich sprang viele Male in die Höhe so hoch ich mit dem wenigen Wasser konnte, um zu schauen, ob ein anderer, besserer Teich in Aussicht war.
Die Suche war beschwerlich und ich hatte Angst, nie ein anderes Wasser zu finden und sterben zu müssen.
Doch plötzlich kam ein Vogel zu mir geflogen und erzählte mir von einem sehr nahe gelegenen Teich. Er beschrieb ihn in allen Einzelheiten und ich fühlte, dass das nach dem Platz klang, der zu mir passte! Mit viel Raum zum Schwimmen, mit etwas Schilf am Rand und sogar ein paar schönen Seerosen.
Der Vogel zeigte mir die genaue Richtung und wir schätzten gemeinsam ab, wie lange ich mich über Land würde schlängeln müssen, bis ich dort wäre. Es klang hart und gefährlich, aber machbar.
In den folgenden Wochen ruhte ich mich viel aus und sammelte meine Kräfte. Dann setzte ich mir ein Datum, wann ich es angehen wollte.
Ich erinnerte mich an all das, was der Vogel mir erzählt hatte und füllte mich ganz an mit den verheißungsvollen Bildern des neuen Teiches.
Der Vogel hätte mich natürlich auch anlügen können, aber etwas tief in mir spürte, dass er es ehrlich meinte.
Und dann kam der große Tag!
Ich verabschiedete mich von meinem Tümpel. Es schmerzte mich, nach so langer Zeit meine lieb gewonnene Heimat zu verlassen. Aber es half alles nichts!
Ich tat einen großen Sprung über den Rand des Teiches hinaus aufs Land. Ich hielt die Richtung, die mir der Vogel gewiesen hatte, und robbte mühsam voran. Ich hatte solche Angst! Wenn etwas schief gehen würde, wäre es mein Ende.
Doch diese Gedanken halfen auch nicht, daher schlängelte ich mich weiterhin mit aller Kraft vorwärts.
Und da sah ich es: Schilfrohre!
Ich hielt auf sie zu und konnte plötzlich schon das Wasser riechen. Und da war es: Zwischen dem Schilf glänzte eine Wasserfläche!
Ich jubilierte und sprang mit einem Jauchzen hinein! Oh, was war dieses Wasser weich und angenehm! Es hatte eine perfekte Temperatur und eine wunderbare Klarheit! Und es duftete süß nach Seerosen.
Vor lauter Freude sauste ich im Kreis herum und konnte mein Glück kaum fassen: Es war alles gut gegangen! Der Vogel hatte mit allem recht gehabt!
Ich schwamm noch lange voller Enthusiasmus in alle Richtungen, um den Teich zu erkunden. Und erst gegen Abend merkte ich, wie viel ich heute schon geleistet hatte und wie sehr alle meine Gräten schmerzten.
Ich kuschelte mich zwischen zwei Schilfstangen und schlummerte zufrieden ein, in der Gewissheit, dass ich genau das Richtige getan hatte.
Nun konnte ich wieder meine Tage damit verbringen, in meinem vollem Sein als Fisch zu leben und es einfach zu genießen!
Danke, danke, danke.
(c) Helga Fischer
16. November 2018 um 19:58
Liebe Helga,
das ist wirklich eine wunderschöne Bildergeschichte. Ich hätte es nie, niemals besser ausdrücken können. Und ich weiß genau, wie sich das alles anfühlt.
Mich hatte der erste Vogel belogen….
Trotzdem hatte ich dem zweiten Vogel geglaubt. Denn, im gewohnten Teich wäre ich ja auch gestorben. Es war wie ein Ölteppich drauf, ich bekam keine Luft mehr und konnte mich fast nicht bewegen.
Und, nachdem ich beim ersten Versuch kläglich gescheitert war und mich mit letzter Kraft zurück in meinen alten Teich geschleppt hatte, wusste ich, dass ich es noch einmal würde wagen MÜSSEN. Denn ich würde auch im Teich kläglich eingehen…. und hatte somit gar nichts mehr zu verlieren.
Der zweite Versuch gelang. Es war eine völlig andere Richtung.
Aber….. jetzt kann ich auch das weiche Wasser genießen…..
Danke, dass Du das so wunderschön in Worte gefasst hast.
Ja, Mut wird belohnt. :-)))
Regina.
17. November 2018 um 11:29
Schön, dass du auch deinen Wohlfühlteich gefunden hast 🙂
Liebe Grüße von Helga
16. November 2018 um 17:37
Ach das ist schön. Liebe Helga, ich freue mich für dich, dass der große Sprung geglückt ist und du dich nun wieder voll entfalten kannst. Und auf der Seerose in der Mittagspause immer mal wieder einen Sonnenstrahl erhaschst 🙂 ein schönes Bild.
Lieben Dank auch für den Link zu dem wunderschönen Lied Pulcra-es-Amica. ich habe nicht viel auf meinem Handy, aber das habe ich mir gespeichert und lausche staunend.
Viele liebe Grüße und alles Gute, Daniela
16. November 2018 um 18:17
Oh, das freut mich sehr, liebe Daniela, dass dir unser Stück vom KonzertChor der Stimmwerkstatt so gut gefällt 🙂 Ola Gjeilo schreibt überhaupt tolle Stücke!
Liebe Grüße von der Seerose
sendet dir Helga