„Mir muss es nicht gut gehen. Ich muss nur im Guten sein.“, hat der Kapuziner-Pater Ludger Schulte uns mal in einer Ausbildung gesagt. Diesen Satz habe ich mir gut gemerkt und möchte dir erzählen, warum er so hilfreich ist.
Ich glaube, es ist Zeit, mal damit aufzuräumen, dass ein erfülltes Leben bedeuten könnte, dass es einem immer oder meistens gut geht, man glücklich ist und alles super läuft! – Wer diese Illusion hat, dem muss ich sie leider nehmen, denn es ist nicht meine Erfahrung. Die Realität ist:
- Generell habe ich mehr schwere, stressige und herausfordernde Zeiten erlebt als leichte und glückliche.
- Immer mal wieder plagen mich Krankheiten – größere oder kleine.
- Beziehungen und Freundschaften zerbrachen.
- Zeiten der Überforderung wechselten sich ab mit Zeiten der Einsamkeit.
- Jobs oder Selbständigkeit haben nicht mehr gepasst und ich musste loslassen und neu anfangen.
- Aus hochfliegenden Plänen ist nichts geworden.
- Ängste haben mich manchmal behindert, etwas anzugehen.
- …. und vieles mehr! Ein ganz normales Leben eben, mit all den Höhen und Tiefen, Sorgen und Unzulänglichkeiten, die ein Mensch so hat.
Doch die Aussage von Ludger Schulte hat mir immer geholfen, voller Vertrauen in allem zu sein:
Mir muss es nicht gut gehen. Ich muss nur im Guten sein.
P. Ludwig Schulte
Was heißt das, im Guten zu sein?
Wenn ich im Guten bin, dann lebe ich im Vertrauen darauf, dass eine gute Kraft mit trägt und begleitet. Ich lebe meinen Tag mit der Absicht, mit dieser Kraft in Verbindung zu sein. – Ihr zu lauschen, mit ihr zu reden, mich von ihr anleiten zu lassen.
Wenn ich mit dieser göttlichen Kraft in Verbindung bin, fühle ich mich wach, klar und bewusst. Dann ist es nicht mehr so wichtig, ob gerade ein bestimmtes Problem zu lösen das Dringendste ist, obwohl ich mir es doch so gerne heute mal schön gemacht hätte. Denn die gute Kraft wird mir helfen, gute Lösungen zu finden und mir die Energie dafür zur Verfügung stellen, die ich brauche.
Und anschließend wird auch noch etwas Zeit zum Genießen bleiben.
Wenn ich im Guten bin, dann setze ich mich mit der Krankheit und meinem Körper auseinander. Dabei lerne ich viel, auch über mich selbst. Und wiederum wird die gute Kraft mir helfen, Lösungen zu finden, gesund zu werden oder dennoch Gründe zu finden, mein Leben zu schätzen und zu genießen.
Wenn ich im Guten bin, dann trauere ich über Liebgewonnenes, was ich nun loslassen muss. Ich bin dankbar dafür. Und ich weiß, dass Neues kommen wird und ich geführt sein werde, wenn ich achtsam hinhöre.
Wenn ich im Guten bin, kann ich erkennen, wo ich Ego-Plänen gefolgt bin und dass es gut war, dass nichts aus ihnen geworden ist. Es wären nur weitere Umwege gewesen.
Die gute Kraft hilft mir, meiner Seele zu lauschen, für was sie gekommen ist und was sie in diese Welt geben möchte. Und die Gelegenheiten dafür werden dann zum richtigen Zeitpunkt in mein Leben treten, sodass ich sie ergreifen kann.
Wenn ich im Guten bin, dann spüre ich meine Ängste und nehme wahr, wo sie mir anzeigen, dass etwas noch nicht dran ist für mich. Und ich nehme auch wahr, wo es nun Zeit ist, trotz Angst zu handeln und mutig zu sein. Dann war die Angst nur ein Anzeiger, dass etwas Neues, Großes dran ist.
Wenn ich im Guten bin, engagiere ich mich und setze mich ein, und lebe nicht nur für meine eigene Gemütlichkeit und meinen Spaß. Ich erfahre, wieviel ich bewirken und geben kann. Und das gibt mir so viel Kraft, dass ich gar nicht so viel Freizeit brauche, wie ich vielleicht glaubte.
Wenn ich im Guten bin, kann ich mit der langen Isolation und den vielen Einschränkungen in der Coronazeit sein. Auch wenn ich immer wieder mal traurig bin, weil ich schon bald eineinhalb Jahre keine Konzerte mehr singen kann und mir die Chorgemeinschaften fehlen: Das Geschenk in dieser zurückgezogenen Zeit war, dass ich mir wirklich nahe gekommen und mir selbst eine gute Freundin geworden bin. Und dass ich nun leidenschaftliche (Vor-)Sängerin in Gottesdiensten geworden bin.
„Mir muss es nicht gut gehen. Ich muss nur im Guten sein.“
Wenn ich mir dies zur Leitschnur nehme, dann habe ich immer etwas zum Festhalten, egal wie steinig, mühsam oder beängstigend der Untergrund sein mag. Und dann wird jeder Gang auf seine Weise gut. Und es bleibt spannend, denn ein immer ebener, perfekter Weg ist ja auf Dauer auch langweilig! 🙂
Manchmal habe ich in unserer Gesellschaft das Gefühl, es sei schon fast peinlich, wenn es einem nicht so gut geht.
„Was, wieso? Du hast doch alles!“ oder: „Du meditierst doch, das müsste es dir doch gut gehen.“ „Aber du bist doch so spirituell, da solltest du doch nicht gestresst und deprimiert sein!“ – Solche Gedanken und Aussagen kommen da schon mal schnell. Oder man schämt sich und antwortet auf die Frage „Wie geht’s?“ mit dem gängigen „Alles gut“.
Wie oft schon war mir nach einem stressigen Arbeitstag überhaupt nicht mehr nach Singen zumute. Ich war erschöpft, genervt, hungrig und müde. Und dennoch machte ich meine Übungen, aktivierte meinen Körper mit einem Spaziergang und ein paar Einsingübungen und kam nach und nach wieder in die Energie des Singens. Meine allgemeine Energie hob sich wieder an. Und ich fuhr zur Kirche und sang für die Gottesdienstbesucher.
Dabei bekam ich noch mehr Energie und fühlte so viel Freude bei der Musik und mit den Menschen, dass ich hinterher beschenkt und wohlig müde heim fuhr. Manchmal weinte ich zuhause auch, weil es so schön und schon wieder vorbei war und am nächsten Tag unliebsame Pflichten anstanden.
Tja, und der nächste Tag war dann doch auch wieder erfüllt, weil ich mich erneut mit der guten Kraft verband, die immer da ist und uns trägt und wärmt.
Das Leben ist tief und rund, wenn du alles zulässt und wertschätzt, was es beinhaltet. Und damit bekommst du Zugang zu deiner wahren Kraft, die dich über dich selbst hinauswachsen lässt.
Und so kannst du Stunde für Stunde und Tag für Tag im Guten sein, auch wenn es dir dabei nicht immer „gut geht“. – Öffne dein Herz für das Leben und seine wahre Kraft!
Herzlichst,
Deine Helga
3. Juli 2021 um 13:05
Liebe Helga,
danke für Deine lieben Worte. Sie kamen im richtigen Moment. Ich habe auch eine Woche mit Tiefen hinter mir. Aber ein Hoch waren jetzt wieder Deine Worte. Wir wissen ja Vieles und im Nachhinein erscheint alles wieder ganz einfach und logisch. Ich wünsche Dir ein wunderschönes Wochenende und sei lieb gegrüßt
5. Juli 2021 um 8:54
Dankeschön, lieber Franz.
Ja, im Nachhinein lässt es sich leicht zurückblicken. Und immer sind wir gefordert, alles zu leben, was das Leben uns präsentiert – geborgen in der Hand des Höchsten.
Ich wünsche Dir eine gute Woche.