Neulich machte ich eine Entdeckung, die einen Durchbruch darstellte und seither mein Leben verändert hat.
In meinen Notizen aus dem Gesangsunterricht habe ich einen Satz wieder gefunden: „Lautstärke nicht mit Druck, sondern mit weitem Raum im Rücken erzeugen.“
Als technische Anweisungen hatte ich mir dazu notiert:
Wach und weit werden, Bauchnabel zieht nach innen, Rippenbögen weiten sich, weiter Raum im Rücken entsteht.
Also schloss ich meine Augen und spürte mich in den Boden unter mir.
Ich spürte den Raum vor meinen Beinen, vor meinem Bauch und meiner Brust.
Ich spürte mich in den Raum um meinen Kopf hinein und stellte mir alles um mich herum ganz weit vor.
Ich wanderte mit meiner Aufmerksamkeit den Hinterkopf hinab und spürte in den Raum hinter meinem Rücken. Und da war es, als würde es „Plopp“ machen und sich erst der Raum hinter meinem oberen Rücken und mit einem weiteren Plopp der Raum hinter meinem unteren Rücken nach außen wölben.
Wie bei einer aufblasbaren Puppe weitete sich plötzlich mein Körper einen Meter nach hinten, meine Wirbelsäule streckte sich, mein Kinn hob sich, meine Rippenbögen weiteten sich, der Bauchnabel zog nach innen und mein Beckenboden spannte sich etwas an.
Ich fühlte mich wie ein perfekt gespannter Bogen, hatte plötzlich viel mehr Raum zum Atmen, fühlte mich stabil und weit und sang die ersten Töne:
Wow!!! Was waren hier für ein Volumen und eine Kraft zu finden!!!
Keine Ahnung, warum ich so lange gebraucht hatte, um das zu kapieren.
Ich experimentierte und probierte – im Sitzen, im Stehen, im Laufen durch den Wald: Es funktionierte in Bewegung noch besser!
Ich sang und sang und wollte ich lauter werden, ließ ich den Raum hinter mir weiter werden und es geschah.
Jesses, was war und bin ich glücklich über diese Entdeckung!! Das macht so Vieles einfacher.
Aber jetzt kommt’s:
Dieser erweiterte Raum hinter mir machte etwas mit mir!
Ich wurde im Spüren für mich selbst stabiler.
- Die Stabilität im Körper gab mir Kraft.
- Der Raum, der jetzt auch für’s Sprechen zur Verfügung stand, gab mir mehr Stärke.
- Die aufrechte Haltung hob meinen Kopf und ich fühlte mich kraftvoll wie eine Königin.
- Ich spürte innerlich viel mehr Tiefe und Ernsthaftigkeit, vor allem mir selbst gegenüber, mich und meine Gefühle und Bedürfnisse ernster nehmend.
- Mein Selbstbewusstsein wuchs.
Ich hatte das Gefühl, nun vollständiger zu sein.
Der bisher vernachlässigte Raum hinter mir machte etwas in mir rund. Und ich bemerkte, dass ich eigentlich immer sehr nach vorne gelebt hatte. – Naja, die Augen sind nun mal vorne und ich schaue an meinem Körper herab oder nach vorne zu dem, was es zu sehen gibt.
Da ich hinten keine Augen habe, hatte ich nicht so viel Aufmerksamkeit für meinen Rücken. – Vielleicht normal.
Jedenfalls eröffneten sich mir nun viele neue Erkenntnisse.
Ich erinnerte mich an zahlreiche Lebenshilfe-Seminare von früher, in denen es um „den Rucksack“ ging, den alle von uns mit sich tragen und der „negative“ Prägungen und allerlei Angesammeltes enthielt und den es zu leeren galt.
Und ich erinnerte mich an Seminare, die die Stärke und Königin in mir wecken wollten.
Und immer versuchte ich, mich und meine Bedürfnisse ernster zu nehmen.
Und nun geschah all dies mit diesem Bewusstsein für den Raum in meinem Rücken!
Irgendwie fühlt er sich auch dunkler an als die Vorderseite meines Körpers. Aber diese Dunkelheit hat eine enorme Tiefe und Wärme. Sie beinhaltet so viele Erfahrungen, so viel Weisheit und sie schenkt Geborgenheit.
Wer sagt denn auch eigentlich, dass ich „negative“ Prägungen von früher loslassen müsste?
Sie sind ein Erfahrungsschatz aus meinem Leben. Sie haben mein Leben geprägt und ihm Tiefe verliehen. Und aus dieser Tiefe kann ich nun schöpfen und etwas machen.
Im Singen ist es die Raum- und Atemtiefe, die mir Kraft verleiht.
Im Leben ist es die Tiefe, die durch Erfahrungen und Krisen entsteht, die mir Kraft geben kann.
Vielleicht ist es Zeit für ein neues Verständnis für diese Dinge.
Lass uns dran bleiben.
Herzlichst,
deine Helga
20. Juni 2021 um 7:59
Welch eine schöne Erfahrung! Danke für diese Inspiration für uns alle!
Herzlichst, Vera
20. Juni 2021 um 9:49
Sehr gerne, liebe Vera.
Ich freue mich sehr, wenn meine Erfahrungen auch anderen einen Impuls geben können.
Viele liebe Grüße, Helga