Ach, das Leben ist zur Zeit ein Meer voller Gefühle! – Freude und Trauer wechseln sich ab. Empathie und Empfindsamkeit schlagen immer wieder um in Selbstzweifel und Kleinheit. Aus einem Hin und Her wird starke Entschiedenheit. Aus Kraftlosigkeit große Klarheit und Energie, die dann leise wieder weniger wird.
Kurzum: Die Wellen gehen auf und nieder, schlagen hoch und ebben ab und nehmen wieder neuen Anlauf.

Wie soll man das alles in Worte fassen?
Ulrich Schaffer kann dies in einer Weise, die so einfach und klar ist, dass ich immer wieder erstaunt bin. Er spricht mit seinen Texten direkt in die Herzen vieler Menschen hinein.
Einer seiner Texte aus 2007 bringt das mit dem Hin und Her der Gefühle so wunderbar auf den Punkt und er macht so viel Mut, dass ich Ulrich Schaffer heute zitieren möchte:

Das ganze Leben
ist eine große Tür

Wir leben in Gegensätzen.
Wir verstehen, was uns zustößt,
wir können den Ereignissen eine Bedeutung geben.
Die Wege sind steil, aber begehbar.
Aber dann geschieht das Unverständliche –
die Zerstörung der bekannten Muster.
Uns geht der Atem aus, wir finden keine Worte mehr.
Da wird Sprachlosigkeit unsere Chance.

Wir verstehen unsere Mitmenschen,
wir können ihnen folgen
in ein Stück ihrer Verlassenheit,
bis einer auftritt mit einer Fremdsprache
des Leids und der Andersartigkeit, die uns erschüttert.
Bestürzung ist unsere Chance.

Wir haben uns ein Leben lang
durch Gedanken hindurchgearbeitet,
wie durch einen großen Berg,
bis wir auf eine undurchquerbare Wüste stießen.
Da mussten wir das ABC einer neuen Sprache lernen.
Hilflosigkeit war unsere Chance.

Wir haben geglaubt, was man uns vorgeglaubt hatte.
Es hatte Hand und Fuß.
Bis es sich auflöste
unter den Umständen und dem Druck unserer Ehrlichkeit.
Da zerbrach etwas in uns –
Knirschen und Schrecken durchzogen uns.
Aber durch den Riss konnte Licht in uns fallen
und unsere innere Schönheit erleuchten.
Zweifel war unsere Chance.

In diesen Herausforderungen entstehen wir, du und ich.
Oder wolltest du dich immer nur wiederholen
und dein Wesen – das auf Wachstum ausgerichtete –
vernachlässigen und verkommen lassen?

Am Horizont geht die Sonne auf –
wer du heute sein wirst, ist nicht festgelegt.
Dein ganzes Leben ist eine große Tür.
Das Abenteuer beginnt.

Ulrich Schaffer, 2007. Erschienen in seinem Buch „SEIN“ 2008 im Claudius Verlag (Buch ist vergriffen).
Webseite von Ulrich Schaffer

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